Aktuelle Debatte Tourismus – Liebscher: Transformation unserer Tourismuswirtschaft ist mit Blick auf den Klimawandel eine drängende Aufgabe

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

die Regionen des Wintertourismus stehen in den kommenden Jahren vor einem massiven Wandel. Schon heute erleben wir, dass selbst im Erzgebirge oder Vogtland keine Schneesicherheit mehr herrscht. Die Klimaerwärmung wird Winterurlaub in Sachsen, wie wir ihn heute kennen, deutlich verändern. Diesen Wandel aktiv zu begleiten und gemeinsam Alternativstrategien zu entwickeln, statt ein stilles Sterben der touristischen Wirtschaftszweige sehenden Auges zuzulassen, ist unser BÜNDNISGRÜNES Ziel. Aus unserer Sicht heißt das jedoch nicht, jetzt stur einfach noch mehr Technik und Energie aufzufahren, um sich realitätsvergessen an Altbewährtes zu klammern.

Natürlich ist es verständlich, wenn Wintersportorte verzweifelt nach Schneekanonen & Co. rufen. Aber eine Lösung des Problems ist es nicht. Weder von den prognostizierten Temperaturen her, denn auch Kunstschnee braucht minus 2,5 °C bei der Herstellung. Aber auch kurzfristig nicht, denn die Qualität leidet und durch den enormen Energieeinsatz wird die Klimakrise weiter befeuert.

Stattdessen müssen die traditionellen Wintersportregionen unabhängig von Schnee und Beschneiung werden.

Genau da setzt die neue sächsische Ganzjahresförderrichtlinie an: touristische Betriebe, groß wie klein, können künftig ihre Investitionen in touristische Ganzjahresangebote mit bis zu 75 Prozent fördern lassen. Für eine bessere Auslastung das gesamte Jahr über, fern vom Saisongeschäft.

Damit auch zukünftigen Generationen lebenswerte und touristisch attraktive Regionen vorfinden, die zum Urlaubmachen einladen, ist es besonders wichtig, nachhaltige Investitionen und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen zu fördern. Die Etablierung von Nachhaltigkeitskriterien als Fördervoraussetzung, ähnlich wie bereits in der Wirtschaftsförderung (RL regionales Wachstum) eingeführt, begrüßen wir BÜNDNISGRÜNE daher ausdrücklich. Dass diese Kriterien sehr breit aufgestellt sind und auch Barrierefreiheit berücksichtigen, ermöglicht eine breite Teilnahme am Förderprogramm – bei gleichzeitigem Anstoß zum nachhaltigen, inklusiven Handeln.

Andererseits kann ich nicht verhehlen, dass wir uns gewünscht hätten, dass insbesondere umwelt- und klimaschädliche Investitionen, seien es Beschneiungsanlagen selbst oder Investitionen in Naturschutzgebieten, gänzlich von der Förderung durch die neue Richtlinie ausgeschlossen werden. Nicht nur, dass bei einer Förderung von solchen oder ähnlichen Maßnahmen das Förderkonzept und die Zielstellung der Richtlinie konterkariert werden. Auch das jüngste Beispiel der Baugenehmigung eines Ferienressorts in Oberwiesenthal zeigt, (auch wenn die Bagger aktuell schweigen), dass Umwelt- und Naturschutz, trotz hoher Schutzbedürftigkeit, nach wie vor hinter wirtschaftlichen Interessen zurücksteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
und wenn wir bereits bei Oberwiesenthal sind, ist die Schneekanone nicht weit. Wenngleich hier ein anderes Förderprogramm des Freistaates, das Sonderprogramm organisierter Wintersport, in Rede steht und nicht die Tourismusförderung, möchte ich einen kurzen Punkt dazu in die Debatte einwerfen. Beschneiungsanlagen, seien Sie für den organisierten Wintersport oder das touristische Vergnügen, sind keine Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen, das ist offensichtlich. Nach meinem Dafürhalten sind Investitionen, wie diese aus der Zeit gefallen und die Kritik daran teile ich uneingeschränkt.

Dennoch lassen sich selbst Wintersportinvestitionen nachhaltiger gestalten, wie das Beispiel Bob- und Rennschlittenbahn Altenberg zeigt. Diese nutzt seit 1. Januar 2020 100 Prozent Ökostrom mit mindestens 50 Prozent aus regionaler Erzeugung und ist in diesem Bereich CO²-frei. Auch die vorgesehenen Investitionen beim Biathlonstadion Altenberg erfolgen unter nachhaltigen Aspekten. Warum verfolgen die anderen Wintersportstandorte Oberwiesenthal und Klingenthal nicht auch solche Ziele und erstellen entsprechende Konzepte, die schrittweise umgesetzt werden?

Das Beispiel des Sonderprogramms Wintersport zeigt einmal mehr, dass es dringend eine Wintersportstrategie für den Freistaat Sachsen braucht, welche die Herausforderungen des Klimawandels nicht umschifft und mit einem „weiter wie bisher“ beantwortet. Aber das nur als kleiner Exkurs in die Sportpolitik.

Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Bedarfe, sich an den Klimawandeln anzupassen, sind ressortübergreifend.

Ein paar Aspekte hinsichtlich des Tourismus möchte ich zum Schluss noch besonders herausstellen: Der Titel der Aktuellen Debatte fordert auch, „Trends aufzugreifen“. Wenngleich dies wichtig erscheinen mag, möchte ich davor warnen, allen Trends unter dem Stichwort Ganzjahrestourismus leichthin hinterherzuhecheln und zu erwarten, einzelne Investitionen drehen das Blatt. Stattdessen möchte ich fragen: Braucht es wirklich ein deutschlandweites Netz an Sommerrodelbahnen oder Erlebnishöfen?

Ist es nicht vielmehr wichtiger, die regionalen Besonderheiten, ja Schönheiten, Traditionen, Kulturen des Freistaates herauszustellen und mit den richtigen Angeboten ganzjährig erlebbar zu machen? Denn warum besuchen Menschen den Freistaat Sachsen? Lassen Sie uns, auf Basis unserer Reichtümer, Neues entwickeln.

Sehr verehrten Damen und Herren,
zum Abschluss meiner ersten Wortmeldung habe ich von Trends gesprochen, denen wir nicht hinterherhecheln sollten. Gleichzeitig heißt es auch, wichtige Trends nicht zu verschlafen.

Ich habe es in diesem Hohen Haus schon oft kritisiert und auch heute muss ich es anprangern: Der nachhaltige Tourismus, der Radtourismus und barrierefreie Angebote sind in Sachsen nach wie vor sehr unterdurchschnittlich entwickelt. Hier hat der Freistaat viel Nachholbedarf und verschenkt enormes Potenzial – auch für den Ganzjahrestourismus. Bei günstigen Wetterverhältnissen wird fast das gesamte Jahr Rad gefahren. Aber Radtourismus ist mehr als nur der Elberadweg! Mit den neuen Pedelecs ist Radtourismus im Erzgebirge nicht mehr nur für besonders Sportliche denkbar. Wenn es nur die geeignete Infrastruktur mit Radwegen, deren Ausweisung und Vermarktung gäbe…

Als Teil der Koalition haben wir BÜNDNISGRÜNE hier ein Umdenken angeschoben, wenngleich die Umsetzung nicht von heute auf morgen gelingt. Gleiches gilt für die Etablierung von Ganzjahresangeboten. Wie stand am Dienstag so schön in der Presse: „Wir befinden uns auf einem Marathon und nicht auf einem Sprint. Da werden wir viele Jahre dranbleiben müssen“. Die Transformation unserer Tourismuswirtschaft zur Anpassung an den Klimawandel und zum Klimaschutz ist heute anzugehen und nicht auf morgen zu verschieben. Auch damit wir nicht weiter an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Wie sensibel das Gefüge Tourismus und Natur ist, haben uns die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz im vergangenen Jahr eindrücklich vor Augen geführt.

Die Natur- und Landschaftsschönheiten sind ein großes Pfund, das wir hier in Sachsen haben und die Basis für den überwiegenden Teil des Tourismus im ländlichen Raum. Für die Strukturentwicklung von ländlichen Regionen bildet der Tourismus ein wichtiges Potenzial. Lassen Sie uns dieses Potenzial noch besser nutzen!

Tourismus | | 06.07.2023

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