Corona-Hilfen – Liebscher: Wir müssen für Selbstständige langfristig ein faires Einkommen sichern

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

ich muss leider sagen: Mit dem Antrag sind Sie einer Bayerischen Wahlkampffinte auf den Leim gegangen.

Das Anliegen klingt dem Grunde nach unterstützenswert – die Soloselbstständigen schützen, das ist in erster Linie auch unser BÜNDNISGRÜNES Interesse.

Die Pandemie hat gezeigt: Soloselbstständige und Kleinunternehmen sind als Zielgruppe der Politik lange übersehen worden. Denn wenn wir von Solos oder Kleinstunternehmen sprechen, sprechen wir über Gruppen äußerst diverser Unternehmer*innenschaft: Da ist die Musikpädagogin, die Kosmetikerin, die freie Programmiererin – die Bandbreite ist weit. Entsprechend weit gefächert sind die ökonomischen und finanziellen Voraussetzungen und spezifischen Bedarfe der einzelnen Branchen.

Was wir wissen, ist der Umstand, dass viele Selbstständige von Lockdown und Pandemie besonders hart getroffen wurden. Einkommensverluste waren in der Gruppe der Soloselbstständigen besonders hoch. Darum begrüße ich, dass die Linksfraktion das Thema Solos und Kleinstunternehmen heute auf die Tagesordnung setzt. Denn wir brauchen auch in der laufenden Krise mehr Aufmerksamkeit für die Belange der Selbstständigen.

Doch, wenn ich mir nun den Antrag ansehe, muss ich Ihnen leider sagen: Das vorgetragene Anliegen löst das Problem nicht. Bayern ist keine Blaupause und auch in Bayern löst der teilweise Erlass das Problem nicht.

Dafür müssen wir etwas die Begrifflichkeiten sortieren. Die Soforthilfe des Bundes wurde 2020 als Betriebskostenzuschuss gezahlt. Jedes Bundesland wickelte die Zahlungen selbst ab. Wer anschließend merkte, dass Ausfälle überkompensiert wurden, zahlte entweder sofort zurück oder war – in Sachsen – bis vergangenen Winter dazu aufgefordert.

Verstehen Sie mich nicht falsch, das System hatte aufgrund der notwendigen Kurzfristigkeit unbestritten seine Schwächen und daraus müssen wir lernen. ABER:
Die Probleme der Soloselbstständigen löse ich heute nicht, indem ich die Hilfsleistungen der Pandemie verschlimmbessere!

Nicht nur hatten wir hier in Sachsen andere Stichproben und andere Rückzahlungsmodalitäten als in Bayern, auf das Sie Bezug nehmen. Auch in Bayern ist die Begeisterung für diese späte Entscheidung nicht ungebrochen. Denn: Sehen Sie, werte Kollleginnen und Kollegen,  wir haben es mit sehr ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmern zutun.

Wenn man nämlich mal nach Bayern schaut und mit den Unternehmerinnen und Unternehmern vor Ort spricht, dann hört man den Unmut, den dieser Wahlkampf-Querschuss der Aiwangers und Söders bei vielen Unternehmen hervorruft: „Diese Entscheidung bestraft die Ehrlichkeit derjenigen Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereits zurückgezahlt haben.“

Und das sind aufgrund des zurückliegenden Zeitraums – ich sage explizit der Soforthilfen – die allermeisten. „Viele kleine Unternehmen haben das Geld gar nicht beantragt – und was ist jetzt mit denen?“

Werte Kolleginnen und Kollegen,
ich arbeite gern gründlich. Und so müssen wir auch unsere Krisenhilfen stricken.
Es ist unbestritten, dass viele Solo-Selbstständige bestimmter Branchen massive Härten in der Corona-Pandemie erleben mussten. Ich habe mit vielen gesprochen, die Hilfe bei der Überbrückungshilfe benötigten. Ich habe mit Menschen gesprochen, die nun Schwierigkeiten haben, da auch die Neustarthilfe teilweise wieder zurückgefordert wurde, wenn den Kriterien nicht entsprochen wurde.

Es ist unbestritten: Rückforderungen von Corona-Hilfen, sofern diese anfielen, stellten und stellen einige Unternehmen vor erneute Herausforderungen. ABER – und das ist mir wichtig: Es muss fair zugehen. Wir helfen gezielt und nicht per Zufallserlass. Denn in Krisen müssen wir den Menschen Sicherheit bieten und staatliche Unterstützung gerecht einsetzen.

Was es jetzt braucht, sind Lösungen, wie wir diejenigen Selbstständigen unterstützen können, die langfristig unter den Folgen der Pandemie leiden und die die Inflation erneut trifft. Was es jetzt braucht, sind Konzepte, die den Selbstständigen langfristig ein faires Einkommen sichern und Selbstständige sozial absichert. Wir brauchen „gute Arbeit“ – auch für Selbstständige.

Dafür müssen wir verschiedene Stellschrauben drehen.

Wir stehen als BÜNDNISGRÜNE mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Bund dazu in Verbindung. Derzeit wird dort ressortübergreifend an einer Lösung gearbeitet, Mutterschutz für Unternehmerinnen abzusichern. Die Beteiligung ist dazu möglich. Zudem wird der Zugang zu Elterngeld für Selbstständige erleichtert. Dafür brauchen wir sozialverträgliche Rahmenbedingungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe auch an Selbstständige.

Wir müssen dazu auch hier im Land weiterhin gemeinsam an der Sensibilisierung für die Belange von Kleinstunternehmen arbeiten.

Ich freue mich dabei auf Ihre Unterstützung – den Antrag lehnen wir aus genannten Gründen ab.

 

Arbeit & Wirtschaft | | 31.05.2023

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