Führerscheinoffensive – Liebscher: Wir brauchen vielmehr einen starken ÖPNV und eine Mobilitätsoffensive für unsere ländlichen Räume

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

der Fachkräftemangel ist bereits arbeitspolitische Realität in vielen Branchen des Landes.
Da können Sie die Führerscheine mit der Gießkanne ausgeben, es werden schlicht nicht mehr Leute!

Schauen Sie einmal mit mir auf den Arbeitsmarkt: Sachsen ist überall knapp überdurchschnittlich. Die Beschäftigungsquote ist mit 67 Prozent hoch, die Frauenerwerbsquote mit 48 Prozent immerhin besser als im Bundesschnitt, die Erwerbstätigkeit der älteren Bevölkerung ist überdurchschnittlich. Nur EINES fällt auf: Der Anteil von internationalen Kräften liegt mit 6 Prozent WEIT unter dem Bundesdurchschnitt. Was die Staatsregierung ebenso wie die Bundesregierung verstanden hat. Daher, meine Damen und Herren, setzen sich hier alle Koalitionsfraktionen dafür ein, internationale Azubis und Azubinen zu gewinnen.

Sie geben in Ihrem Antrag an, dass die wirtschaftliche und demografische Situation im ländlichen Raum noch schwieriger ist. Ja, richtig die Verkehrswende im ländlichen Raum muss gesondert betrachtet werden.

Aber warum wollen Sie dann für knapp 50.000 Azubis in Chemnitz, Leipzig und Dresden einen Führerschein subventionieren? Ihre Zahlen passen nicht zu der von Ihnen geschilderten Problematik!

Bevor ich zur verkehrspolitischen Einordnung komme, möchte ich noch eine Passage aus dem Grundsatzprogramm der AfD zitieren: „Die AfD lehnt Subventionen generell ab. Wir wollen gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche. Unser Ziel ist ein schlanker, aber starker Staat.“ Wie, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, passt dieser Grundsatz zu Ihrer 150 Millionen Forderung nach Führerscheinsubvention?

Und verraten Sie mir bitte vor allem mal eines: Welchem 16-jährigen Azubi bringt Ihr Vorschlag etwas für die Verbesserung der eigenen Mobilität?  Wollen Sie dann auch noch den Mopedführerschein subventionieren?  Und wie geht es nach dem Führerschein dann weiter? Noch 50 Prozent zum Erstwagen dazu? Aber nur für einen Diesel!

Werte Damen und Herren,
sicherlich braucht es zur Ausübung vieler Ausbildungsberufe einen Führerschein. Wenn dies der Fall ist, müssen die Handwerksbetriebe den Schein übernehmen. Andernfalls kann bei nachgewiesenem Bedarf der Führerschein bereits mit Hilfe des Bundes finanziert werden, zu beantragen über die Jobcenter.

Aber welche Zeichen würde der Freistaat Sachsen setzen, wenn er als Ausbildungsanreiz den Führerschein subventioniert?

Die Signale wären klar:

  1. Autoverkehr hat Priorität. Aber wie viel Autoverkehr und Stau wollen Sie noch generieren, statt die Straßen durch Alternativen zu entlasten? Zum Beispiel damit die Handwerksbetriebe freiere Fahrt haben.
  2. Der ÖPNV im ländlichen Raum wird aufgegeben. Aber nein, gerade das wollen wir nicht!

Was wir stattdessen brauchen, ist eine Mobilitätsoffensive für unsere ländlichen Räume! Wir müssen in den Ausbau des ÖPNV investieren, die bereits eingeführten Plus- und Taktbus- und Bahnangebote ausbauen.

Wissen Sie überhaupt, wie viel ÖPNV und SPNV im ländlichen Raum für 150 Millionen Euro generiert werden könnte? Eine ganze Menge! Wir könnten das Plus- und Taktbus-System und den Schienenpersonennahverkehr weiter deutlich ausbauen, um so 80 Prozent der Einwohner*innen Sachsens einen Ein- bzw. Zweistundentakt mit Bus und Bahn anzubieten. Solch ein Takt- und Angebotsausbau würde nicht nur den Azubis nützen, sondern allen Menschen im Freistaat.

Neben dem guten ÖPNV-Angebot braucht es natürlich erschwingliche Fahrpreise. Das Azubiticket war ein gutes Angebot für viele Jugendlichen. Mit der Einführung des Deutschlandtickets nimmt die Attraktivität des Azubitickets sicherlich ab. Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns für einen Sozialtarif für das Deutschlandticket ein, auch für Auszubildende.

Der vorliegende Antrag bringt weder mehr Jugendliche in Ausbildung noch verbessert er deren Mobilität und wird daher ganz entschieden von uns abgelehnt.

Verkehr | | 26.04.2023

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