Fußverkehr – Liebscher: Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass wieder mehr Menschen im Freistaat gerne und sicher zu Fuß gehen

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

so alltäglich, so natürlich, so simpel: Wir tun es alle, wir gehen zu Fuß. Wir alle sind Fußgängerinnen und Fußgänger. Der ein oder andere zwar nur zum Fahrstuhl in die Tiefgarage und vom Carport aufs Sofa. Aber sei’s drum: Die 10.000 Schritte pro Tag sind in diesem Fall geschenkt. Andere wiederum erschließen sich ihren Alltag nur oder zum Großteil zu Fuß: Nicht nur, weil es gesund ist, sondern auch weil das Zu-Fuß-Gehen die preiswerteste, flexibelste und klimafreundlichste Mobilitätsform überhaupt ist. Für alle Generationen wohlgemerkt. Dabei gehört das Zu-Fuß-Gehen neben dem Radverkehr zur aktiven Mobilität, bei der sich mit eigener Muskelkraft fortbewegt wird.

Doch warum braucht es diesen Antrag, wenn das Zu-Fuß-Gehen so alltäglich und fast banal ist? Die Antwort ist einfach: Das Zu-Fuß-Gehen wird stark unterschätzt und der Anteil, der zu Fuß zurückgelegten Wege sinkt stetig. Kleine Ausnahme: Während der Corona-Pandemie erfuhr das Spazierengehen eine kurze Renaissance. Wie wichtig die Bewegung an frischer Luft für unser Wohlbefinden ist, wurde vielen wieder bewusst.

Die vielumwobenen 10.000 Schritte werden dann alltäglich und nicht zum Sonderprogramm auf dem Ergometer, wenn die Randbedingungen stimmen: Wenn das Zu- Fuß-Gehen attraktiv und sicher ist. Doch leider stimmen diese Randbedingungen auch im Freistaat Sachsen allzu häufig nicht. Das Alltäglichste, das Gehen, fiel bei der Verkehrs- und Stadtplanung der Vergangenheit allzu oft hinten unter und so auch der Fußverkehr in unseren Kommunen.

Unsere Städte wurden auf den Autoverkehr ausgelegt, mehrspurige schnellbefahrbare Hauptstraßen sind nicht nur gefährlich beim Überqueren, sondern auch laut und abgasbelastet. Die Straßenränder und Plätze sind unübersichtlich und zugeparkt, häufig ohne barrierefreie Querungsmöglichkeiten. Kaputte Gehwege, die nicht oder nur beschwerlich von mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt werden können dazu gehören nicht nur Seniorinnen oder Menschen mit einer Behinderung, sondern auch junge Eltern mit Kinderwagen oder Kinder.

Natürlich spielen noch viele weitere Faktoren hinein, ob ein Weg zu Fuß erledigt wird. Sind die Wege zum Supermarkt zu weit oder beschwerlich, wird ohne Frage schnell auf das Auto zurückgegriffen. Orte, seien es Städte oder kleine Gemeinden, mit kurzen Wegen zu den wichtigsten Nahversorgungseinrichtungen sind belebter und attraktiver. Zahlreiche Großstädte wie Paris, Oslo, Wien, Kopenhagen setzen auf die Stadt der kurzen Wege, die sogenannte 15-Minuten Stadt, um wieder lebenswerter zu werden und den Menschen eine Unabhängigkeit vom eigenen Auto zu ermöglichen. Aber das ist ein anderes Thema. Fokussieren wir uns auf den Fußverkehr und die Aspekte des Antrages für den Freistaat Sachsen.

Der Antrag hat zunächst eine Bestandsaufnahme der Fußverkehrsförderung im Freistaat zum Ziel. Zum einen bitten wir die Staatsregierung um einen Bericht der eigenen Maßnahmen seit 2017, zum anderen erbitten wir auch von der kommunalen Ebene Bericht, welche Städte und Gemeinden bereits über Fußverkehrskonzepte und Fußverkehrsbeauftragte verfügen.

In einem zweiten Teil stellt der Antrag darauf ab, Fußverkehrs-Checks in Sachsen zu etablieren und den Kommunen als niederschwelliges Beratungs- und Unterstützungsangebot anzubieten durchgeführt entweder über die Beauftragung eines Dritten oder durch die Landesverwaltung.

Dabei haben wir den Inhalt eines solchen Fußverkehrs-Checks grob abgesteckt und das Rad muss dabei nicht neu erfunden werden. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen machen sehr erfolgreich vor, wie die Kommunen mit Fußverkehrs-Checks die Attraktivität des Zu-Fuß-Gehens verbessern können.

Im Fokus eines solchen Checks steht dann immer eine konkrete Aufgabenstellung für einen abgesteckten Raum und eine definierte Zielgruppe: beispielsweise die Wegebeziehungen oder Schulwegsicherheit für Schulkinder, eine Quartiersanalyse für Seniorinnen und mobilitätseingeschränkte Gruppen oder soziale Wegesicherheit mit der Untersuchung von Angsträumen insbesondere in Dämmerung oder Dunkelheit. Gemeinsam mit Vertreter*innen der Zielgruppen, aber auch der Verwaltung, Verbänden und Politik wird die Qualität der Fußwege und Wegeverbindungen vor Ort bewertet und Verbesserungsvorschläge erarbeitet.

Damit die entwickelten Maßnahmen schlussendlich nicht in einer Schublade verschwinden, hat der Antrag außerdem zum Ziel, die Kommunen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen zu unterstützen und sie beim Aufbau einer systematischen Fußverkehrsförderung in Form von Fußverkehrskonzeptionen zu beraten.

Damit alle Kommunen von den gesammelten Erfahrungen profitieren können und nicht jede Kommune im stillen Kämmerlein ihre eigenen Maßnahmen plant und umsetzt, soll anhand der Erfahrungen ein Leitfaden zur Handreichung an die interessierten Kommunen und Vorschläge zur systematischen Stärkung und Förderung des Fußverkehrs im Freistaat Sachsen entwickelt werden.

Letztendlich sollen in allen relevanten Bereichen die Belange des Fußverkehrs umfänglich berücksichtigt und einbezogen werden. Daher gilt es diese Interessen auch in den entsprechenden Förderrichtlinien, sei es bei der kommunalen Straßenbauförderung oder der ÖPNV-Förderung, bei einer Novellierung zu berücksichtigen.

Die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für die Einführung der Fußverkehrs-Checks haben wir bereits im vergangenen und in diesem Doppelhaushalt gelegt. Ich bin froh, wenn es jetzt endlich losgeht und wir damit den Koalitionsvertrag umsetzen und den Fußverkehr und die aktive Mobilität weiter stärken können. Denn auch wenn das Zu-Fuß-Gehen alltäglich erscheinen mag, eine Selbstverständlichkeit ist es nicht. Legen wir mit diesen Antrag die Grundlagen dafür, dass wieder mehr Menschen im Freistaat gerne und sicher zu Fuß gehen. Das entlastet nicht nur die anderen Verkehrsträger, sondern belebt auch unsere Innenstädte, fördert die Gesundheit und ist klimafreundlich.

Verkehr | | 26.04.2023

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