ÖPNV – Liebscher: Umsetzung der Verkehrs- und Mobilitätswende braucht es ein sächsisches Mobilitätsgesetz

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

voranstellen möchte ich meiner Rede, dass die Debatte wichtig ist, die die Linksfraktion mit diesem Gesetzentwurf „ÖPNV-für-alle-Gesetz“ angeschoben hat. Auch wenn sie in Teilen von den Entwicklungen, wie dem Erfolg des 9-Euro-Tickets oder der Einführung des Deutschlandtickets, überholt ist. Die angestoßene Diskussion über die Zukunft des ÖPNV im Freistaat Sachsen und dessen Ausgestaltung notwendig.

Das gesamte ÖPNV-System befindet sich im Umbruch. Das bereits angesprochene erfolgreiche 9-Euro-Ticket, aber auch die Einführung des Deutschlandtickets hätte sich vor einem Jahr noch keiner träumen lassen. Gleichzeitig bleibt der Krisenmodus des ÖPNV auch nach der Corona-Pandemie durch Energie-, Personal- und Baukostensteigerungen bestehen. Dies machten auch die Sachverständigen im Rahmen der Anhörung deutlich. In den Haushaltsverhandlungen haben wir BÜNDNISGRÜNE uns für eine bessere Ausstattung der ÖPNV-Förderung eingesetzt, teilweise mit Erfolg.

Dennoch: Wenngleich einige Punkte des Gesetzentwurfes der Linksfraktion zu begrüßen wären, ist dieser doch nicht zustimmungswürdig. Nicht nur da der Antrag in Teilen überholt ist, einzelne Punkte werden von uns gänzlich abgelehnt. Auf einzelne Aspekte möchte ich jetzt gern eingehen:

Wie im Koalitionsvertrag verankert, streben wir als Koalition die Gründung einer Sächsischen Mobilitätsgesellschaft zeitnah an. Diese Mobilitätsgesellschaft soll die Zusammenarbeit der Verkehrsverbünde auf ein neues Level heben und wichtige Aufgaben für den ÖPNV in Sachsen übernehmen. So soll die Mobilitätsgesellschaft den Landesnahverkehrsplan entwickeln und Qualitätsstandards für Angebote und Tarife festlegen, damit das Angebots- und Tarif-Wirrwarr endlich ein Ende hat und beispielsweise einheitliche Regelungen zur Fahrradmitnahme oder zum Fahrscheinkauf in den Zügen bestehen. Ferner übernimmt die Sächsische Mobilitätsgesellschaft Abstimmungen zum Sachsentakt und Deutschlandtakt und wird Mindestbedienstandards für jede Ortschaft festlegen. Wir sind optimistisch, dass die Gründung der Sächsischen Mobilitätsgesellschaft noch gelingen kann und muss. Denn wir brauchen dringend Verbesserungen im sächsischen ÖPNV, das ist unbestritten. Die Einführung des Deutschlandtickets macht weder einen Sachsentarif noch die Mobilitätsgesellschaft überflüssig, wie einige Fürsten behaupten mögen.

Ob andererseits mit einer Widmung des ÖPNV als Pflichtaufgabe, wie die Linksfraktion in ihrem Gesetzentwurf vorschlägt, alle Probleme gelöst werden, ist zweifelhaft. Sicherlich wäre die Einordnung als Pflichtaufgabe ein Quantensprung in der gesellschaftlichen Bedeutung des ÖPNV, doch diese müsste eine Vollkostendeckung durch den Freistaat nach sich ziehen. Das Beispiel von Rheinland-Pfalz, wo der damalige Verkehrsminister und heutige Bundesverkehrsminister Wissing dies eingeführt hat, zeigt, dass der Streit um die auskömmliche Finanzierung des ÖPNV damit nicht automatisch beendet ist. Für einen solchen Schritt braucht es einen breiten politischen und finanziellen Kommittenten. Doch auch hier bleibt der Gesetzentwurf zu unklar: Was genau soll Pflichtaufgabe werden, wie werden die Pflichten zwischen Land und Kommunen austariert und welche Kosten zieht dies für welchen Part nach sich? Auch die Kosten bleiben völlig im Unklaren. Dies war auch Ergebnis der Anhörung.

In einem Punkt können wir dem Anliegen der Linksfraktion vollständig folgen, denn er ist seit langem eine BÜNDNISGRÜNE Forderung: Die vollständige Verwendung der Regionalisierungsmittel des Bundes für den regulären Schienenpersonennahverkehr. Statt einen Teil der Mittel für die Finanzierung der Ausbildungsverkehre zu verwenden, könnten die rund 40 Millionen Euro sehr gut in die Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs investiert werden. Allerdings läuft zur Finanzierung der Ausbildungsverkehr eine Evaluierung. Wir gehen davon aus, dass diese Bestandsaufnahme Potenziale aufzeigt und diese bei künftigen Haushaltsaufstellungen einfließen werden.

Was wir dagegen vehement ablehnen, ist die Forderung nach einem kostenlosen ÖPNV für Kinder und Jugendliche. Es ist richtig, der ÖPNV muss bezahlbar sein und Mobilität für alle ermöglichen. Allerdings sind die Fahrgasteinnahmen eine wichtige Säule der ÖPNV-Finanzierung, die aktuell dringend gebraucht wird. Wir als Koalition haben mit der Einführung des Bildungstickets einen guten Auftakt für ein bezahlbares Ticket für Schüler*innen und Freiwilligendienstleistende gemacht. Gleiches gilt für das Azubiticket. Und natürlich wird mit dem Deutschlandticket ein sehr gutes Angebot für Pendler*innen geschaffen, das wir BÜNDNISGRÜNE auch mit einem Sozialtarif für wirtschaftlich schwächere Menschen anbieten wollen. Dazu gehören natürlich auch Kinder und Jugendliche.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich wiederhole mich: Auch wenn wir dem Gesetzentwurf inhaltlich nicht zustimmen können die von der Linksfraktion angestoßene Debatte ist wichtig.

Grundsätzlich braucht es jedoch aus unserer Sicht zur Umsetzung der Verkehrs- und Mobilitätswende ein sächsisches Mobilitätsgesetz, das alle Verkehrsträger, auch den Motorisierten Individualverkehr, berücksichtigt und die vielfältigen Stellschrauben in einem Paket bündelt.

Vielen Dank!

Verkehr | | 26.04.2023

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