Hass, Hetze und Steinwürfe auf Grünen-Büro in Plauen

Nach Übergriffen auf Parteibüros der Grünen im Vogtland hat Sachsens Justizministerin Katja Meier ihre Parteifreunde besucht. Dabei gab es ein überraschendes Lob für eine politische Gegnerin.

Die Spuren des jüngsten Anschlages auf das Plauener Parteibüro der Grünen am Oberen Graben sind noch sichtbar, als sich Mitglieder des vogtländischen Kreisverbandes der Partei am Mittwochabend dort zum Stammtisch treffen. Die drei großen, fast bodentiefen Fenster sind nach den Übergriffen noch nicht ausgetauscht und weisen bis zu ihren Rahmen hin deutlich sichtbare Risse auf. Unmittelbar hinter diesen drei Fenstern stehen Stühle um einen robusten Beratungstisch aus Holz, an dem nun auch Sachsens Justiz- und Europaministerin Katja Meier (Grüne) Platz genommen hat. Sie ist gerade auf Sommertour durch den Freistaat und für diesen Abend und den darauffolgenden Tag im Vogtland unterwegs.

Mitarbeiter des Parteibüros haben von innen alte Wahlplakate gegen die Löcher in den Fenstern gepappt, die durch Steinewerfer in den zwei Nächten zum 29. und zum 30. Juli entstanden sind. Auf einem der Plakate steht „Nachhaltiges Wirtschaften“. In besseren Zeiten hätte man jetzt einen Scherz dazu machen können, doch nach Komik ist hier gerade sichtbar niemandem zu Mute.

Der Landtagsabgeordnete Gerhard Liebscher, der in dem Büro auch Bürgersprechstunden hält, konstatiert: „Es findet eine massive Veränderung statt - querbeet durch Sachsen. Sie betrifft nicht nur uns, sondern auch andere Parteien.“ Derartige gewaltsame Vorfälle wertet Liebscher deshalb als Angriffe auf die Demokratie insgesamt. Er erinnert an die Eier-Attacke an einem Infostand der Partei während des Bundestagswahlkampfs 2021, die gezielt einer jungen Frau aus ihren Reihen galt. Der Täter sei damals immerhin in einem Schnellverfahren zur Verantwortung gezogen worden.

Verbale Drohungen gab es auch vor der Eröffnung eines Parteibüros in Auerbach gegeben, danach wurde es mit Hass-Parolen beschmiert. Liebscher stellt klar: „Das ist nicht die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen wollen.“ Und er fügt hinzu: „Was mir Sorge bereitet, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Derartiges inzwischen hingenommen wird. Dass es keinen Aufschrei mehr gibt.“

Ex-Grüne-Stadtrat Dieter Rappenhöner sieht in der Entwicklung Parallelen zur Situation am Ende der Weimarer Republik, als gewaltsame Auseinandersetzungen mehr und mehr zu einem Mittel der Politik wurden. Christine Uhlenhaut, Geschäftsbereichsleiterin im Landratsamt, widerspricht zwar dem Weimarer-Republik-Vergleich und meint, dass sie die Demokratie heute für stabiler halte. Doch auch sie beklagt, „dass eine Diskussionskultur heute kaum noch vorhanden ist“. Früher habe man sich in der Politik mehr „wertgeschätzt und nicht niedergemacht“. Heute, pflichtet ein jüngeres Parteimitglied am Stammtisch bei, sei „die Rhetorik schärfer, frauenfeindlicher, homophober“.

Ministerin Katja Meier hört viel zu an diesem Abend und zollt allen, die sich kommunalpolitisch engagieren, Respekt: „Da muss man schon ein dickes Fell haben“ - bei allem, was jeder und jedem heutzutage an Hass und Hetze widerfahren könne. „Gerade vor Wahlen ist dann oft die Frage: Will ich mich dem noch aussetzen?“ Die Demokratie benötige aber dieses Engagement vor Ort. Für umso wichtiger halte sie gegenseitigen Austausch. Und sie sagt auch: „Wir müssen uns und unsere Politik mehr und besser erklären.“

Explizit fragt die Ministerin nach, wie ihre Parteifreunde Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) bewerten, die im Vogtland direkt gewählte Bundestagsabgeordnete, und sie bekommt - allen politischen Unterschieden zum Trotz - fast nur Lob zu hören. Sie zeigt klare Kante gegen Rechts und hat damit nicht nur Freunde in ihrer Partei, heißt es. Man hat registriert, dass Magwas die einzige Politikerin der Region war, die auf die Nachricht von den nächtlichen Attacken auf das Grünen-Büro öffentlich reagierte und twitterte: „Volle Solidarität!“

Noch weiß die Polizei nicht, wer hinter den Steinwürfen steckt. Derzeit werden kriminaltechnische Untersuchungen ausgewertet. Etwaige Zeugen hätten sich bislang nicht gemeldet, sagt Polizeisprecher Christian Schünemann.

Arbeit & Wirtschaft | | 11.08.2023

Zurück